Was halten Übersetzer:innen von maschineller Übersetzung?

Marine Esquenet 20. Jan. 2022 4 Min.
Seit den 1950er Jahren hat sich die maschinelle Übersetzung (MT) von regelbasierter über statistische zur aktuellen neuronalen MT weiterentwickelt. In den letzten fünf Jahren sind die Ergebnisse neuronaler maschineller Übersetzung dank hochmoderner Terminologie, mehrsprachiger Modelle und MT für Sprachen mit weniger Referenzmaterial immer flüssiger und präziser geworden und bieten inzwischen eine beispiellose linguistische Qualität. Diese rasante Entwicklung und die finanziellen Investitionen interessierter Unternehmen haben MT zu einem wesentlichen Bestandteil moderner Übersetzungsstrategien gemacht.
 
Kunden lieben maschinelle Übersetzung, weil damit in kürzerer Zeit mehr Inhalte zu geringeren Kosten übersetzt werden können. Aber was ist mit den Übersetzerinnen und Übersetzern auf der anderen Seite der Lieferkette? Wie hat die maschinelle Übersetzung ihre Arbeitsweise in dieser zunehmend digitalen und immer wieder neuen Umgebung verändert? Schließlich haben einige von ihnen noch mit Wörterbuch auf dem Papier übersetzt. Fühlen sie sich durch MT verunsichert und bangen um ihre Zukunft? Oder sind sie begeistert von der Arbeit mit den neuen KI-Tools? Wir haben 1.600 unserer Übersetzer:innen befragt, um ihre Meinung zu diesem Thema zu erfahren. Hier ein kurzer Einblick in einige ihrer Antworten, die auf drei ganz unterschiedliche Denkweisen hindeuten.
 
1. Viele Übersetzer:innen sind der Ansicht, dass Menschen nie durch maschinelle Übersetzung ersetzt werden können
 
„Maschinelle Übersetzung von grammatikalisch ähnlichen Sprachen funktioniert gut, aber bei Sprachen aus verschiedenen Sprachfamilien kann es zu Qualitätseinbußen kommen, daher ist bei solchen Übersetzungen nach wie vor die menschliche Komponente erforderlich. Maschinelle Übersetzung folgt lediglich einem bestimmten Regelwerk, das in das Programm codiert ist, kann aber den sozialen/emotionalen Aspekt der Kommunikation nicht interpretieren und die möglicherweise fehlerhafte menschliche Logik hinter einer Satzstruktur nicht nachvollziehen.“
Lucy Astles, Übersetzerin Koreanisch > Englisch
  
2. Andere Übersetzer:innen interessieren sich für maschinelle Übersetzung und arbeiten gern damit, wissen aber, dass die MT ihre Grenzen hat. 
 
„Technologie verändert das Leben und verbessert die Produktionseffizienz. Dieser Trend lässt sich nicht mehr umkehren. Maschinelle Übersetzung hat sich auf meine Karriere ausgewirkt, aber ich glaube, sie hat auch meine Arbeitseffizienz und sogar die Genauigkeit meiner Übersetzungen verbessert. Mein Denkvermögen kann sie allerdings bisher nicht ersetzen. Ich betrachte sie als meinen persönlichen Assistenten. Sie hilft mir, Zeit zu sparen, und ich kann mich stärker darauf konzentrieren, den Inhalt zu verstehen.“
Shuo Shuo Du, Übersetzerin Chinesisch > Japanisch
 
„Es war die beste aller Zeiten, es war die schlimmste aller Zeiten. Chancen und Herausforderungen bestehen Seite an Seite. Wir müssen mit MT und KI im Einklang sein, sie erfassen, sie nutzen und zulassen, dass sie uns zu besseren Übersetzern machen.“
Tracy Shang, Übersetzerin Chinesisch > Englisch
 
3. Einige Übersetzer:innen schließlich sind absolut begeistert von KI-Tools und maschineller Übersetzung und freuen sich darauf, in Zukunft mehr und mehr damit zu arbeiten, weil sie damit qualitativ bessere Übersetzungen liefern können und sich nicht mehr mit langweiligen Routineaufgaben beschäftigen müssen. Sie sind nun in der Lage, ihre Zeit und ihre Fähigkeiten ausschließlich linguistischen Aufgaben zu widmen – also dem Teil ihrer Arbeit, der ihnen am besten gefällt.
 
„Neue Technologien und KI (die direkt mit unserer Sprachverarbeitungsbranche in Verbindung stehen) sollten als Hilfsmittel und nicht als Bedrohung angesehen werden. Natürlich verändern diese Entwicklungen, wie viele andere in der Vergangenheit, definitiv die Rolle des Übersetzers und seine täglichen Aufgaben. Aber ich würde sagen, das ist eine gute Sache, denn es ermöglicht Übersetzern, ihre Intelligenz voll auszuschöpfen, während sie die groben Arbeiten den Maschinen überlassen. Ja, viele Postreiter haben ihren Arbeitsplatz verloren, als die Dampflok eingeführt wurde, aber wir dürfen nicht vergessen, dass die Eisenbahnen viele neue Arbeitsplätze geschaffen und auch die industrielle Revolution vorangetrieben haben. Ich finde, das gleiche gilt für unsere Branche, und glaube, dass wichtige Veränderungen zu erwarten sind – hoffentlich zum Besten!“
Etienne Morrisette, Übersetzer Englisch > Kanadisches Französisch
 
„Maschinelle Übersetzung und KI haben die Übersetzungsbranche erheblich verändert, und das könnte eine große Herausforderung sein. Ich glaube, diese Technologien können uns dabei helfen, uns von rein mechanischen Wiederholungen zu befreien, damit wir uns stärker auf die Inhalte und auf Dinge konzentrieren können, mit denen Maschinen nicht fertigwerden.“
Xiaochen Zhu, Übersetzerin Englisch > Chinesisch
 
„Maschinelle Übersetzung ist äußerst hilfreich und ein wirklich wichtiges Tool für Übersetzer. In Kombination mit der Kreativität des Übersetzers kann sie zu UMWERFENDEN Ergebnissen führen!“
Panagiota Paraskevopoulou, Übersetzerin Englisch, Deutsch, Französisch > Griechisch
 
Heutzutage konzentriert sich die Branche zunehmend auf Quantität statt auf Qualität. Die ideale Lösung wäre, dass Kunden die Wahl haben, für das gewünschte Bearbeitungs- und Qualitätsniveau zu bezahlen (abhängig vom Zweck der Inhalte und von der jeweiligen Zielgruppe). Trotz der großen technologischen Fortschritte werden weiterhin Menschen für die Feinabstimmung der maschinellen Übersetzungsergebnisse gebraucht, insbesondere bei hochwertigen Inhalten. Das wird sich auch nie ändern.
 
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Social-Media-Spezialistin
Marine Esquenet, die Social-Media-Spezialistin von RWS, ist für die Entwicklung und Umsetzung der globalen Social-Media-Strategie des Unternehmens verantwortlich.
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