Kosmolokalisierung: Wie das Metaversum eine neue lokalisierte Realität ermöglicht
Einige von uns haben vielleicht schon erste Schritte im Metaversum gemacht, während diese neue Welt für andere noch ein völliges Mysterium ist. Der Begriff ist in aller Munde – doch was ist das Metaversum eigentlich genau? Und was bedeutet es für die Lokalisierung?
Mark Zuckerberg ist vielleicht der prominenteste Verfechter dieser Verschmelzung von neuen und im Entstehen begriffenen Technologien, Konzepten und sogar philosophischen Ansätzen. Er erläutert das Metaversum so: „Es ist eine immersive Version des Internets. Statt nur etwas auf einem Bildschirm zu sehen, werden Sie das Gefühl haben, dass Sie selbst Teil der Szene oder physisch mit einer anderen Person zusammen sind.“
Das ist sicherlich einer der Aspekte der Metaversums, und die Einführung einer Extended-Reality-Präsenz (XR) in einer virtuellen Umgebung ist etwas, das sowohl im Unterhaltungsbereich als auch im Geschäftsleben bereits vorgenommen wird.
Viele Menschen haben bereits an reinen VR-Besprechungen teilgenommen. Dieser Trend dürfte sich auch nach der Pandemie fortsetzen. Am weitesten in diese Richtung vorgewagt hat sich jedoch – und das ist wohl keine Überraschung – der Gaming-Sektor.
Die Online-Plattform Second Life bietet ihren Teilnehmer:innen seit fast zwei Jahrzehnten eine virtuelle Welt, die vorwiegend mit benutzergenerierten Inhalten befüllt ist und sogar eine eigene virtuelle, aber auch im echten Leben handelbare Währung hat. Epic Games positioniert Fortnite als Metaversum, und die äußerst beliebten Plattformen Minecraft und Roblox können mit ihren riesigen virtuellen Welten und reichhaltigen gemeinsamen Erlebnisumgebungen durchaus Ähnliches behaupten.
Die virtuelle Präsenz ist jedoch nur ein Teil des Konzepts Metaversum. Auch wenn er mit der Umbenennung des Unternehmens Facebook, Inc. in Meta ein starkes Zeichen gesetzt hat, ist Zuckerberg beileibe nicht der Einzige, der sich für dieses Thema interessiert.
„Dass ein sichtbares Netz aus Services, Produkten und Interaktionen Teil unserer Lebensrealität wird, ist wahrscheinlich und plausibel; das wird sich mit der Zeit so ergeben“, so Enosis-Gründer Vangelis Lympouridis gegenüber RWS. „Es wird jedoch nicht nur einen Akteur geben, und es wird sich definitiv nicht so manifestieren, wie man es sich heute vorstellt oder im Marketing strategisch anpeilt.“
Der Aufbau des Metaversums
In einem aufsehenerregenden Essay, das erstmals im Jahr 2020 veröffentlicht wurde, definierte der Venture-Kapitalist Matthew Ball das Metaversum als äußerst vielfältige und gemeinschaftliche Aktivität, angereichert mit Inhalten und Erfahrungen, die „von einer unglaublich breiten Palette von Mitwirkenden geschaffen und unterhalten werden – bei einigen davon kann es sich um Einzelpersonen, bei anderen um informell organisierte Gruppen oder kommerziell ausgerichtete Unternehmen handeln.“ Als weitere wichtige Merkmale nannte er einen kontinuierlichen, synchronen Betrieb, ein voll funktionsfähiges Wirtschaftsleben und eine „beispiellose Interoperabilität von Daten, digitalen Elementen/Vermögenswerten, Inhalten und so weiter zwischen all diesen Welten“. Interessanterweise erfüllen Gaming-Plattformen wie Roblox und Minecraft schon heute die meisten dieser Kriterien, sind aber noch weitgehend isoliert. Im „richtigen“ Metaversum werden all diese einzelnen Metaversen zu einem nahtlos vernetzten Ganzen verschmelzen.
Für Lympouridis sind XR-Technologien, darunter Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR), die Hauptkomponenten für den Zugriff auf die von gemischten Medien geprägte „cyberphysische“ Realität des Metaversums – aber sie sind keineswegs alles. „Einige stellen sich eine Dichotomie zwischen der physischen und der „Meta“-Ebene der Welt vor, der tatsächliche Wert ergibt sich jedoch aus dem nahtlosen Übergang und der Kontinuität zwischen diesen beiden Ebenen innerhalb einer einzigen Realität“, so Lympouridis.
Enosis ist hat sich auf „Spatial Computing“ spezialisiert. Dabei handelt es sich laut Definition um eine erlebnisbasierte Plattform, die entscheidend ist für den Übergang von der derzeitigen, eingeschränkten Dimension der globalen Datenlandschaft zu einem neuen weltweiten Datenökosystem mit räumlicher Präsenz und räumlichen Koordinaten, entsprechendem Volumen und physischen und virtuellen Eigenschaften.
Viele weitere neue Technologien werden unter dem Überbegriff der „4. Industriellen Revolution“ zusammengefasst, darunter 5G, Edge Computing, das Internet der Dinge (IoT), Robotik, maschinelles Lernen und KI. Sie werden diese aufregende neue Zukunft unterstützten.
Kommunikation im Metaversum
Zuckerberg sprach kürzlich über die Notwendigkeit eingebetteter Übersetzungsfunktionen innerhalb des Metaversums, damit die Benutzer:innen nicht nur auf Inhalte in ihrer eigenen Sprache zugreifen, sondern in Echtzeit mit anderen in jeder beliebigen Sprache zu kommunizieren können.
„Dies wird besonders wichtig sein, wenn die Leute mit der Teleportation über virtuelle Welten hinweg beginnen und mit Menschen unterschiedlicher Herkunft gemeinsam Dinge erleben“, so Zuckerberg. „Heute haben wir die Möglichkeit, das Internet zu verbessern und einen neuen Standard zu setzen, in dessen Rahmen wir alle miteinander kommunizieren können, unabhängig davon, welche Sprache wir sprechen oder woher wir kommen. Wenn wir das schaffen, ist dies nur eines von mehreren Beispielen dafür, wie KI Menschen auf der ganzen Welt zusammenbringen kann.“
Die Idee einer solchen Echtzeit-Übersetzungstechnologie gehört für viele noch immer ins Reich der Science-Fiction – man denkt dabei etwa an den Universalübersetzer in Star Trek oder den etwas surrealen Babelfisch bei Douglas Adams. Die maschinelle Übersetzung (Machine Translation, MT) verbessert sich jedoch exponentiell und basiert auf der Nutzung von KI. Den Umfang, die Genauigkeit und die Flexibilität, die Language Weaver, das hauseigene MT-System von RWS, heute bietet, hätte man vor nicht allzu langer Zeit wohl auch noch ins Reich der Science-Fiction verwiesen.
Kosmolokalisierung – mehr als nur Übersetzen
Lokalisierung geht natürlich weit über die reine Übersetzung hinaus. Sprache ist immer ein zentrales Element, aber sie ist nur ein Teil der kulturellen und kontextbezogenen Faktoren, die in eine echte Lokalisierung von Inhalten oder Erfahrungen einfließen müssen.
Im Metaversum können Sie Ihren Avatar und Ihren persönlichen oder gemeinsamen Space bereits individuell anpassen und auch andere „zu sich einladen“. Wenn in Zukunft noch ausgeklügeltere Systeme und Ansätze aufkommen, könnte es sogar möglich werden, gemeinsam genutzte virtuelle Umgebungen zu lokalisieren, sodass die einzelnen Personen sie je nach ihren jeweiligen kulturellen Erwartungen und Präferenzen unterschiedlich erleben. Auch Inhalte und Erlebnisse können dann ganz auf die Personen und Gruppen zugeschnitten werden, die auf sie zugreifen, während zugleich durch nahtlose Übersetzung eine übergreifende Kommunikation und Interaktion ermöglicht wird. Die Daten und Systeme, die für die Erstellung einer solchen lokalisierten Erfahrungswelt erforderlich sind, werden bereits vorhanden sein. Im Grunde werden dann nicht mehr die einzelnen Erlebnisumgebungen isoliert lokalisiert, sondern vielmehr alle miteinander vernetzten Elemente, die zusammen das Metaversum bilden.
Lympouridis erklärt, Kosmolokalisierung sei eine Verschmelzung von Technologie, Politikwissenschaft, Philosophie und Wirtschaft. „Sie bringt ein transzendentes Modell ein, das über das aktuelle internationale oder kosmopolitische Modell hinausgeht und den Fokus auf das Lokale auf globaler Ebene legt“, fährt er fort. „Dieser lokale Aspekt kann physisch oder virtuell sein, aber die Grundidee besteht darin, dass das stärkste Gefühl der Zugehörigkeit ein lokales mit weltweiter Tragweite ist. Bei diesem Konzept geht es um direkten Zugang zu weltweiten Inhalten, Kenntnissen und Erfahrungen, all dies kontextsensitiv, wobei dieses Wissen in die Produktion neuer Inhalte, Dienstleistungen und Erfahrungswelten einfließt.“
Er fügt hinzu, dass „eine polymorphe Adaption zur Förderung von Zusammenarbeit, Produktivität, Inklusivität, erfahrungsorientiertem Lernen, Gestaltung und vielem mehr eingesetzt werden kann“.
Die praktischen Auswirkungen von Spatial Computing und Kosmolokalisierung
Was bedeutet dies nun für die Praxis?
Das Potenzial scheint nahezu grenzenlos zu sein.
Was die Kosmolokalisierung betrifft, stellen Sie sich am besten eine/n Mediziner:in in der Ausbildung vor. Er/sie kann von überall auf der Welt aus auf nützliche Ressourcen zugreifen und direkt mit Fachexpert:innen kommunizieren. AR und VR könnten es ihm/ihr ermöglichen, unter der Anleitung von Kolleg:innen, die Tausende Kilometer entfernt sind, eine neue medizinische Prozedur zu üben. Die Informationen werden dabei nicht nur richtig übersetzt, sondern auch lokalisiert: Unterschiede in den offiziellen nationalen Richtlinien für Ärzt:innen, in der allgemeinen Arbeitsweise und sogar in der Verfügbarkeit von Spezialgeräten können dabei berücksichtigt werden. Ohne richtige Lokalisierung können die aus der Ferne zugeschaltete Expert:innen die Gesamtlage nicht vollständig einschätzen.
In anderen Bereichen verändern die Elemente, die zusammen im Metaversum aufgehen werden, bereits heute die Art und Weise, wie wir miteinander kommunizieren, spielen und arbeiten. HP hat vor Kurzem den weltweit ersten Mixed-Reality-Kundensupport für Drucker eingeführt, und Satya Nadella, CEO von Microsoft, sagt, dass Mesh für Microsoft Teams Sie direkt in eine Fabrik bringen oder Sie mit Ihrer ganz persönlichen Präsenz in einen vollständig ausgestalteten Besprechungsraum versetzen könne.
Es ist fast unmöglich, sämtliche Auswirkungen des Metaversums und der zugehörigen Technologien oder auch nur deren genaue Ausgestaltung vorherzusagen. Vangelis Lympouridis ist der Ansicht, dass Nützlichkeit, Praxistauglichkeit, Effizienz und Effektivität die Akzeptanz fördern werden. Unternehmen würden von Natur aus die Dinge nutzen, die in der Praxis funktionieren, und den Rest ignorieren.
„Die klaren und greifbaren Vorteile und die messbaren Verbesserungen im sozialen und persönlichen Leben, bei der Produktivität und im Sicherheitsempfinden werden die Akzeptanz fördern“, erklärt er. „Diejenigen, die über Zukunftsutopien oder -dystopien im Metaversum nachdenken, sind weit entfernt von der Welt der Social-Media- und Technologieunternehmen und eher in der kulturellen und philosophischen Sphäre zu finden als in der unternehmerischen.“
Angesichts der Tatsache, dass der Begriff „Metaversum“ erstmals 1992 in Neal Stephensons Science-Fiction-Roman „Snow Crash“ geprägt wurde und die Idee 2011 in Ernest Clines Roman „Ready Player One“ weiterentwickelt wurde, bietet er dem Feuilleton viel Raum für Spekulationen darüber, inwiefern diese Entwicklung zu einem utopischen oder dystopischen Extrem führen könnte.
Für zukunftsorientierte Unternehmen bieten das Metaversum und die damit verbundenen Bereiche, einschließlich der Kosmolokalisierung, jedoch Chancen, mit völlig neuen Denkansätzen zu arbeiten und sich als Vorreiter einer neuen und beispiellosen Ära der „Experience Economy“ zu positionieren.
RWS kooperiert mit Enosis als Partner-Experten für Spatial Computing und für alles, was mit dem Metaversum zu tun hat. In Kürze wird auch ein Podcast dazu erscheinen.